Kleine Ferkel

Nutztierhaltung artgerecht umbauen

Status:
Spannend - Was wird wie umgesetzt?
Gespannter Smiley


Versprechen der Regierung:

» Wir wollen die Landwirte dabei unterstützen, die Nutztierhaltung in Deutschland artgerecht umzubauen. «  
- Auszug aus dem Koalitionsvertrag -

Umbau Ställe: Geplantes Bundesprogramm unzureichend & unterfinanziert
BMEL arbeitet an neuen Haltungsvorgaben für Geflügel
Das BMEL legt Eckpunkte für eine Tierwohlabgabe vor
Die Bundesregierung legt Entwurf für ein neues Tierschutzgesetz vor
Umbau Ställe: Geplantes Bundesprogramm unzureichend & unterfinanziert
BMEL arbeitet an neuen Haltungsvorgaben für Geflügel
Das BMEL legt Eckpunkte für eine Tierwohlabgabe vor
Die Bundesregierung legt Entwurf für ein neues Tierschutzgesetz vor

Billiges Massenprodukt steht über Tierwohl

Tiere in der Landwirtschaft gelten meist nur noch als billiges Massenprodukt, wortwörtlich als Nutztiere. Sie sind zu reinen Produktionsgütern verkommen. Für die Industrie zählt das einzelne Tierleben kaum mehr etwas.

Tiere als Produktionsgut

Über Jahrzehnte hinweg, wurde die Tierhaltung auf immer höhere Leistungen zu immer niedrigeren Preisen ausgerichtet. Das Ergebnis ist eine Maschinerie mit enger Taktung. Alles hat seine exakten Abläufe, die entweder gegenseitig voneinander abhängig sind oder innerhalb einer Produktionskette von wenigen Unternehmen gesteuert werden. Statt kleiner Bauernhöfe gibt es große Produktionshallen, in denen die Tiere gehalten werden. Statt kleiner regionaler Strukturen, verläuft die tierische Erzeugung hoch spezialisiert und dezentralisiert. Hochgezüchtete Tiere eng aufgestallt in riesigen Beständen sind die Folge. Zudem müssen die Tiere oftmals über weite Strecken transportiert werden, zum Beispiel vom Aufzuchtbetrieb zum Mastbetrieb und von dem Mastbetrieb zum Schlachthof.

Nutztiere leben trostlos

Konventionell gehaltene Tiere leben in einer reizarmen Umgebung. Sie haben wenig bis gar kein Beschäftigungsmaterial. Der Stall weist keine Strukturierung auf und die Tiere müssen gedrängt auf engem Raum leben. Dadurch haben sie kaum Möglichkeiten, ihre natürlichen Verhaltensweisen auszuleben und leiden darunter. In der Folge entwickeln sie Verhaltensstörungen, die sie gegen sich selbst oder Artgenossen richten und die mitunter tödlich enden. 

Nutztiere werden verstümmelt

Anstatt die Haltung an die Tiere anzupassen, werden vorsorglich Ferkelschwänze, Schnabelspitzen und Rinderhörner amputiert und den Tieren so weitere Schmerzen und Schäden zugefügt. 

Tierhaltung in künstlicher Umgebung

In der konventionellen Tierhaltung gibt es keinen Auslauf ins Freie, nicht einmal einen Außenklimareiz und meist keine natürliche Belüftung. Zudem werden die Tiere unter künstlichem Licht gehalten. Sie haben keinerlei Kontakt nach Außen und müssen ihr Leben in einer tristen, künstlichen Umgebung fristen.
Versagt die Technik im Stall – zum Beispiel wenn die Lüftung ausfällt oder ein Feuer ausbricht – sterben die Tiere meist qualvoll.

Krankheiten und Antibiotika

Die schlechten Haltungsbedingungen und die Hochleistungszucht machen die Tiere anfällig für Infektionskrankheiten. Hohe Besatzdichten und große Tiergruppen erleichtern Krankheitserregern sich rasant auszubreiten. Die Folge ist ein massiver Einsatz von Antibiotika. Insbesondere beim Mastgeflügel verwenden die Tierhalter sehr häufig die für den Menschen so wichtigen Reserveantibiotika –  dies nicht selten auch vorbeugend.

Betäubungsmethoden auf dem Schlachthof

Auch die zulässigen Betäubungsmethoden sind mit tierschutzrelevanten Problemen behaftet: so löst die Kohlendioxidbetäubung in der Einleitungsphase schwere Atemnot und Panik aus, bis die Betäubungswirkung schließlich einsetzt.
Bei der Wasserbadbetäubung wird Geflügel kopfüber an den Beinen in Bügel gehängt und mit dem Kopf durch ein elektrisches Wasserbad gezogen. Es kommt häufig vor, dass die Tiere vor der Betäubung schmerzhafte Stromschläge erhalten oder unvollständig oder gar nicht in das Wasserbad eintauchen. Sie erleben dann die Schlachtung teilweise bewusst mit.

 

Nachhaltige Landwirtschaft

Die Borchert-Kommission hat bereits einen Weg aufgezeigt, wie der Umbau zu einer nachhaltigen Landwirtschaft mit höheren Tierschutzstandards gelingen könnte, um so die tierunwürdige konventionelle Landwirtschaft zu beenden. 

Eine realistische Veränderung zu einer tiergerechteren Landwirtschaft wird nur mit einer stimmigen Nutztierstrategie im Sinne einer stetigen Verbesserung der Tierschutzstandards gelingen. Dies wird nur in Verbindung mit einer entsprechenden staatlichen Finanzierung und Steuerung möglich sein. Landwirte brauchen Planungssicherheit , Förderungen in Bezug auf die Umstellung und auch auf laufende Kosten und Verbraucher eine glaubwürdige und transparente Kennzeichnung der Produkte.

Keine Billigangebote im Supermarkt

Handel und Discounter müssen endlich ihre ethische Verantwortung wahrnehmen und auf Billigangebote verzichten, denn jede Preissenkung senkt das Tierschutzniveau. Nicht zuletzt braucht es eine Tierschutzgesetzgebung, die höhere, tiergerechte Standards in der Haltung vorschreibt und damit die Tiere wirklich schützt.

Tierschutz braucht einen Systemwechsel

Ein System- und Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft ist dringend überfällig. Eine nachhaltige Strategie weg von Billigproduktion hin zu mehr Tierschutz hat zum Wohle der Tiere höchste Priorität. Hier gilt es auch die Landwirte, die in bessere Haltungsbedingungen für die Tiere investieren, ausreichend zu entlohnen. Auch müssen Anreize geschaffen werden, die Tierhaltung erheblich zu reduzieren und die vegane Ernährung zu stärken.

Unsere Forderungen:

Was bisher geschah

Bundesministerin Julia Klöckner hat das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung unter Leitung von Jochen Borchert eingesetzt. Die „Borchert-Kommission“ sollte verschiedene Vorschläge dazu entwickeln, wie ein Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung hin zu einem Mehr an Tierschutz umgesetzt und finanziert werden kann.

Das Kompetenznetzwerk stellt seine Ergebnisse vor: Es schlägt unter anderem vor, über ein Tierwohlkennzeichen und gezielte Förderpolitik die Nutztierhaltung über Zwischenstufen umzugestalten. Dies bedeutet, langfristig mehr Platz, Außenklimabereiche, Struktur und Beschäftigungsmaterial für die Tiere zu schaffen. Auch wenn der Deutsche Tierschutzbund bei der Umsetzung weitere Verbesserungen für nötig hält, ist es doch entscheidend, dass sich endlich etwas bewegt.

Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, Pläne für die Umsetzung der „Borchert-Empfehlungen“ vorzulegen. Im Spätherbst 2020 gab das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eine Machbarkeitsstudie in Auftrag, die klären sollte, inwieweit eine Abgabe für höhere Tierwohlstandards in Deutschland rechtskonform ist. 

Die Studie wird vorgestellt. Die Machbarkeitsstudie belegt eindeutig, dass die vorgeschlagenen Finanzierungswege zulässig sind, um den Umbau der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung zu gestalten.

Eckpunktepapier zur Überarbeitung des Baugesetzbuches: à Debatte läuft noch innerhalb der Koalition, hier gibt es noch keine Einigung.

Das BMEL legt in einem Eckpunktepapier fest, welche Voraussetzungen für einen Umbau der Nutztierhaltung nötig sind. Es sieht eine Milliarde Euro für die Landwirte als sogenannte Anschubfinanzierung vor, mit denen die vorhandenen Ställe umgebaut werden sollen. Weiterhin sollen mit dem Geld die Mehrkosten gedeckt werden, die mit einer tier- und umweltgerechten Tierhaltung verbunden sind. Hierbei sollen haltungsbezogene Kriterien an oberster Stelle stehen – insbesondere ein intakter Ringelschwanz bei der Haltung von Schweinen.

  • Wir begrüßen in einer Stellungnahme die geplanten Maßnahmen, die aus dem Eckpunktepapier hervorgehen. Wir weisen aber auch darauf hin, dass eine Milliarde Euro nicht ausreichend sind, um die konventionelle Landwirtschaft tiergerechter umzustellen. Zudem geben wir zu bedenken, dass mit dem Geld nur echte Verbesserungen für die Tiere gefördert werden sollten.
  • Das BMEL veröffentlicht ein Eckpunktepapier zur Geflügelhaltung. Hiervon werden Puten besonders profitieren, da die Zahl der Tiere pro Stall sinken soll. Zudem werden Puten erstmals in der sogenannten Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung aufgenommen.
  • Wir verfassen eine Stellungnahme zum Eckpunktepapier zur Geflügelhaltung und reichen diese beim BMEL ein. In dieser weisen wir darauf hin, dass nicht nur die Haltungsbedingungen zu verbessern sind, sondern auch das routinemäßige Schnabelkürzen bei Putenküken beendet werden muss.

Der Agrarausschuss des Bundestages spricht sich für die Aufweichung des bisherigen Verbots aus, das vorsah, dass ab 2024 Hühnerembryonen nach Bebrütungstag 7 nicht mehr getötet werden dürfen. Laut bisheriger Gesetzeslage ist ab dem 1. Januar 2024 auch die Tötung von Hühnerembryonen im Ei ab dem 7. Bebrütungstag verboten. Das Verbot soll laut einer vom BMEL vorgelegten Formulierungshilfe nun erst ab dem 13. Bebrütungstag greifen. Das BMEL beruft sich dabei auf ein Forschungsprojekt, das ein Schmerzempfinden der Embryonen vor dem 13. Bebrütungstag für nicht möglich hält. Bisherige Studien kamen zu anderen Ergebnissen: Ein Schmerzempfinden könne ab dem 7. Bebrütungstag nicht ausgeschlossen werden.

Das Vorgehen des BMEL, eine weitreichende Tierschutz-Gesetzesänderung aufgrund einer einzigen Studie zu treffen, ist vorschnell und kurzsichtig. Durch die Gesetzesanpassung wird die Geschlechterbestimmung im Ei als technische „Lösung“ zementiert - und damit weder den überforderten Legehennen noch den überzüchteten Masthühnern geholfen, sondern die „Entsorgung“ von 50% wertvoller Nachkommen  aus wirtschaftlichen Gründen dauerhaft legitimiert. Statt nur die Symptome eines kaputten Systems zu behandeln, bräuchte es einen Systemwechsel: Weg von der tierfeindlichen Hochleistungszucht hin zu sogenannten Zweinutzungshühnern, die sowohl Eier legen als auch Fleisch ansetzen - und bei denen die Problematik eines wirtschaftlich wertlosen männlichen Geschlechts gar nicht erst auftritt.

Die Koalition hat sich grundsätzlich auf ein Finanzierungskonzept für eine Tierwohlabgabe im Rahmen des Stallumbaus geeinigt. Aktuell wird das Konzept vom BMEL ausgearbeitet und soll bis zur parlamentarischen Sommerpause vorliegen.

  • Die Bundesregierung legt einen Gesetzentwurf für eine neues Tierschutzgesetz vor. Für landwirtschaftliche gehaltenen Tiere enthält der Gesetzentwurf keine umfangreichen Verbesserungen. So soll die Anbindehaltung, wenn auch nicht mehr ganzjährig, weiterhin saisonal erlaubt bleiben, Lebendtiertransporte in bestimmte Drittländer werden nicht verboten.  Lücken im bisherigen Tierschutzgesetz, die beispielsweise schmerzhafte Amputationen bei Tieren als Ausnahmen zulassen, bleiben bestehen: Das Schwanzkupieren bei Schweinen sowie das Schnabelkürzen bei Legehennen und Puten werden im Entwurf nicht verboten, Lämmer und Zicklein dürfen weiterhin betäubungslos kastriert werden. Eine Videoüberwachung in Schlachthöfen ist zwar vorgesehen, soll aber nicht für kleinere Betriebe gelten. Positiv ist, dass Rinder nicht mehr betäubungslos enthornt und kastriert werden sollen und Lämmer sowie Kälber der Schwanz nicht mehr betäubungslos kupiert werden soll. Auch gibt es eine Reihe von Qualzuchtmerkmalen, die im Gesetz verankert sind. 
  • Das BMEL hat ein Konzept für eine Verbrauchssteuer auf bestimmte tierische Produkte (Tierwohlcent) vorgelegt, womit der Umbau der Nutztierhaltung finanziert werden könnte. Das Bundesfinanzministerium muss dies nun auf Umsetzbarkeit prüfen. 

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich mit der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) zu einem intensiven Austausch getroffen. Auch Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes und Mitglied in der ZKL, war vor Ort. In dem Termin wurde betont, dass der Umbau der Tierhaltung als dringende Maßnahme angegangen werden müsse, die Vorgaben der so genannten Borchert-Kommission seien dafür die Blaupause. Die notwendigen Fördergelder, um den Landwirten einen Umbau zu ermöglichen, sollen über die Mehrwertsteuer reingeholt werden. Dazu gehört auch die ZKL-Empfehlung, dass geschlossene Stallsysteme auslaufen. Deutlich wurde damit auch, dass das staatliche Haltungskennzeichen wie bisher konstruiert bei dem Umbau als Hindernis gesehen werde.