Einführung einer Tierhaltungskennzeichnung
Versprechen der Regierung:
» Wir führen ab 2022 eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung ein, die auch Transport und Schlachtung umfasst. «
- Auszug aus dem Koalitionsvertrag -
+ Entwurf Tierhaltungskennzeichnung +
Das von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir geplante Tierhaltungskennzeichen soll als erstes für Schweine kommen. Nur all die anderen landwirtschaftlich genutzten Tiere wie Rinder, Hühner oder Puten bleiben außen vor – wie lange, weiß niemand. Genau wie die Bereiche Transport und Schlachtung. Denn das aktuell geplante Kennzeichnen bezieht sich ausschließlich auf die Haltung. Die Haltungsform „Stall“ suggeriert Bauernhofidylle, bedeutet für die Schweine jedoch weiter ein Leben auf Spaltenböden in engen, unstrukturierten Produktionsstätten – mit künstlichem Licht und Luftzufuhr.
Am 16 Juni hat die Ampelfraktionen dem neuen Tierhaltungskennzeichnungsgesetz zugestimmt. Das ist für alle Tierschützerinnen und Tierschützer, vor allem aber für die Tiere in der Landwirtschaft eine große Enttäuschung, kommentiert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes:
„Das heute beschlossene Tierhaltungskennzeichnungsgesetz verhilft keinem einzigen Tier zu einem besseren Leben. Wer das Gegenteil suggeriert, der täuscht die Öffentlichkeit, im schlimmsten Fall sogar bewusst. Mit dem Gesetz werden eindeutig tierschutzwidrige Haltungssysteme mit „Stall“ und „Stall+Platz“ gesiegelt und damit staatlicherseits dauerhaft legitimiert. Wir erwarten, dass bei weiteren Entscheidungen der Bundesregierung der Tierschutz gestärkt und nicht weiter geschwächt wird. Besonders die FDP muss ihre Blockadepolitik gegen besseres Ordnungsrecht und mehr Anreizsysteme aufgeben.
Eine aktuelle YouGov-Umfrage im Auftrag des Deutschen Tierschutzbundes belegt, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in die Irre geführt werden. Danach gehen rund 40 Prozent der Befragten davon aus, dass Schweine in der Haltungsstufe „Stall“ regelmäßig ausgewechseltes Stroh und Einstreu bekommen. Und rund ein Drittel ist der Auffassung, dass die Kennzeichnung nicht nur die Haltung, sondern auch Transport, Schlachtung und Zucht einbeziehe. Schön wäre es. Hier liegt noch gewaltige Aufklärungsarbeit vor der Bundesregierung.
Wenn die Bekenntnisse des Bundesministers Cem Özdemir, wenn die Versprechen der Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag etwas gelten sollen, dann muss jetzt eiligst nachgearbeitet werden. Das Tierschutzgesetz muss grundlegend reformiert werden, die Lücken im Tierschutzrecht müssen aufgearbeitet und die Stufen „Stall“ und „Stall+Platz“ zum Auslaufmodell erklärt werden. Der Bundesminister, die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag müssen zügig und mit klarer Tierschutzhandschrift nachlegen, sonst hat die Tierhaltungskennzeichnung keinerlei Wert und endet als Verbrauchertäuschung.“
Allgemeine Informationen zum Thema:
Tierunwürdige Lebensbedingungen für Nutztiere
Nach wie vor ertragen die meisten Tiere in der Landwirtschaft tierunwürdige Bedingungen. Anstelle von Platz, Tageslicht und Zugang ins Freie, leben die Tiere in der konventionellen Landwirtschaft meist dicht gedrängt in dunklen Ställen. Sie haben nicht die Möglichkeit, sich zu beschäftigen oder ihr arteigenes Verhalten auszuleben. Das führt zu Stress und Frustration, was sich in Aggressivität, Ängstlichkeit, Verhaltensstörungen und Kannibalismus äußern kann.
Nutztiere werden Haltungsumgebung angepasst
Das Verhalten der Tiere zeigt, dass sie in den Haltungssystemen überfordert sind. Doch statt die Haltungsbedingungen zu verbessern, werden die Tiere schmerzhaft zurechtgestutzt. So möchten die Tierhalter verhindern, dass sie sich gegenseitig verletzen. Manipulationen wie gekürzte Schnäbel bei Hühnern oder kupierte Schwänze bei Schweinen sind an der Tagesordnung. Die artwidrigen Haltungssysteme und hohen Besatzdichten führen darüber hinaus dazu, dass die Tiere anfälliger für Krankheiten sind.
Verbraucher wollen mehr Tierschutz
Der Wunsch der Verbraucher nach mehr Tierschutz in der landwirtschaftlichen Tierhaltung ist stärker denn je. Umfragen belegen immer wieder, dass sie auch bereit wären, höhere Preise für tiergerecht erzeugte Produkte zu zahlen. Es ist jedoch nicht leicht, das mittlerweile immerhin wachsende Angebot an tiergerecht erzeugten Produkten zweifelsfrei in den Regalen zu erkennen. Die Bewerbung tierischer Erzeugnisse und die Verwendung von gesetzlich nicht geschützten Begrifflichkeiten wie Tierwohl, art- und tiergerecht sind zu undurchsichtig und oft verwirrend.
Staatliche Tierschutzkennzeichnung nötig
Eine verbindliche, transparente und verlässliche Kennzeichnung, welche die Haltung aller landwirtschaftlich genutzten Tiere von Geburt an, inklusive Transport und Schlachtung umfasst, ist daher gut und dringend notwendig. Nur so können sich die Verbraucher während des Einkaufens realistisch für mehr Tierschutz entscheiden.
Die Kennzeichnung allein reicht aber nicht aus, um flächendeckend relevante Verbesserungen in deutschen Ställen zu erwirken. Sie ist aber ein wichtiges Instrument, um den Umbau der konventionellen Landwirtschaft hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft mit höheren Tierschutzstandards im Rahmen einer stimmigen Nutztierstrategie zu unterstützen.
Mehr Tierschutz kennzeichnen
Eine belastbare und glaubwürdige Aussage darüber, welches Tierschutzniveau hinter einem Erzeugnis steckt, ist nur dann gewährleistet, wenn alle wesentlichen Tierschutzaspekte berücksichtigt werden. Das heißt, eine reine Abbildung der Tierhaltung während der produktiven Lebensphase des Tieres, wie zum Beispiel der Mast, wie nun vom Kabinett verabschiedet, reicht nicht.
Eine transparente Kennzeichnung muss das gesamte Leben des Tieres, von der Zucht bis zur Schlachtung, abbilden. Zudem muss sie neben den Anforderungen an die Tierhaltung auch Auskunft darüber geben, wie mit dem Tier umgegangen wurde. Zum Beispiel, ob Manipulationen wie Schwänzekürzen durchgeführt wurden. Über die Erhebung und Auswertung tierbezogener Kriterien kann beurteilt werden, wie es den Tieren über die gesamte Lebensspanne wirklich ergeht.
Billigfleisch per Gesetz verbieten
Ein gesetzliches Verbot, tierische Produkte als Billigware in den Supermärkten zu verkaufen, würde den Tieren in der Landwirtschaft grundlegend helfen. Denn Tierschutz kostet Geld und das muss dem Landwirt auch entlohnt werden. Billigpreise senken also das Tierschutzniveau. Nicht zuletzt braucht es als Basis eine Tierschutzgesetzgebung, die höhere, tiergerechte Standards in der Haltung vorschreibt und damit die Tiere wirklich schützt.
Nutztierstrategie muss stimmig sein
Eine realistische Veränderung zu einer tiergerechteren Landwirtschaft wird nur mit einer stimmigen Nutztierstrategie und der entsprechenden staatlichen Finanzierung und Steuerung gelingen. Dabei kann eine Tierschutzkennzeichnung als ein Instrument helfen. Für Verbraucher werden Produkte, die unter Einhaltung höherer Tierschutzstandards erzeugt wurden, deutlich erkennbar. Das ermöglicht ihnen, eine bewusste Kaufentscheidung zu treffen. Auch können so höhere Produktionskosten ausgeglichen werden, da der Mehrpreis den Verbrauchern begründet kommuniziert werden kann.
Tierschutzlabel schafft Transparenz
Die Einführung eines staatlichen Tierschutzlabels ist also unabdingbar. Eine Tierschutzkennzeichnung bietet dem Verbraucher eine nachvollziehbare Transparenz über die gesamte Lebensspanne des Tieres. Zudem schafft es den Landwirten einen Anreiz, die Haltung seiner Tiere zu verbessern. Je mehr er in Tierschutz in seinen Ställen investiert, desto höher die Stufe seines Tierschutzlabels, desto höher sein Ertrag.
Unsere Forderungen
- Initiieren einer Nutztierstrategie bei der hohe Tierschutzstandards, vor allem durch Abbau der Tierzahlen und eine nachhaltige Landwirtschaft, zentrale Ziele des Umbaus sind
- Das Anbieten tierischer Produkte als Billigware gesetzlich verbieten und dafür die veganen Lebensweise wesentlich fördern
- Dezentralisierung der Landwirtschaft (Aufzucht, Haltung, Schlachtung), um Tiertransporte zu vermeiden
- Drängen auf die sofortige Einführung einer solchen ambitionierten verpflichtenden Tierwohlkennzeichnung, auch auf EU-Ebene
- Kennzeichnung aller tierischen Produkte, also auch die verarbeiteten Erzeugnisse und ebenso die Gastronomie
- Die Kriterien einer verpflichtenden Tierschutzkennzeichnung müssen den jeweils aktuellen wissenschaftlichen Standards entsprechen und regelmäßig evaluiert werden
Fische und ihre Haltung einbeziehen
Was bisher geschah
Bundestag und Bundesrat haben das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz verabschiedet, welches ab 2024 in Kraft tritt. Bedauerlicherweise führt das Gesetz nicht zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen für Tiere. Stattdessen werden tierschutzwidrige Haltungssysteme wie "Stall" und "Stall+Platz" offiziell anerkannt und somit staatlich legitimiert.
Am 19. April wurde über den Gesetzentwurf für ein Tierhaltungskennzeichnungsgesetz im Ausschuss für Landwirtschaft und Ernährung beraten.
Anlässlich der Sonder-Agrarministerkonferenz haben wir gemeinsam mit anderen Tierschutzorganisationen ein Schreiben an die Länderminister aufgesetzt. Darin fordern wir sie auf, die Bundesregierung zu bitten, das Tierhaltungskennzeichengesetz von den Regierungsfraktionen wieder zu überarbeiten und deutlich zu verbessern.
Die Kennzeichnung bildet nur den Status quo ab und schafft keinerlei Anreize für ein Mehr an Tierschutz. Es ist zu befürchten, dass die Haltungsformen „Stall“ und „Stall+Platz“, die dem Tierschutz bei Weitem nicht entsprechen, dadurch auf lange Zeit zementiert werden. Wenn Fleischprodukte durch diese beschönigenden Bezeichnungen quasi ein staatliches Gütezeichen erhalten, kann dies mehr Tierschutz sogar verhindern.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat den Entwurf zum Tierhaltungskennzeichnungsgesetz angepasst und in der vergangenen Woche zur erneuten Notifizierung bei der EU-Kommission eingereicht. Statt der vorgesehenen, ohnehin nicht ausreichenden und wissenschaftlich nicht begründbaren 20 Prozent mehr Platz in der Haltungsstufe „Stall+Platz“, plant das BMEL nur noch 12,5 Prozent. Der Deutsche Tierschutzbund hält das für einen Skandal und sieht sich in seiner Grundsatzkritik bestätigt.
Die geplanten Stufen „Stall“ und „Stall+Platz“ müssen verboten und nicht durch den Staat ausgelobt werden. Der Deutsche Tierschutzbund fordert die SDP und die Grünen im Bundestag auf, im Sinne der Tiere massiv dagegenzuhalten.
- Im Vorfeld der Internationalen Grünen Woche (IGW) und mit Blick auf den laufenden Gesetzgebungsprozess wiederholen wir unsere Kritik am geplanten staatlichen Tierhaltungskennzeichen. Dieses bildet lediglich den Status Quo ab, ohne auf Verbesserungen für die Tiere abzuzielen. So macht das staatliche Kennzeichen keine Vorgaben für mehr Tierschutz, sondern gruppiert lediglich bestehende Haltungsformen anhand grober Eckpunkte in ein System ein. Dabei beschränkt es sich bislang auf die Haltung von Mastschweinen. Besonders gravierend ist, dass zentrale Bereiche wie Transport und Schlachtung bei der Kennzeichnung außen vor bleiben. Aus unserer ist dies ein Vertragsbruch, hatte die Regierung im Koalitionsvertrag doch zugesagt, eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung einzuführen, die auch Transport und Schlachtung umfasst. Große Bereiche, in denen massenhaft Billigfleisch für Verbraucher verarbeitet wird, blieben von der Transparenzpflicht verschont – etwa Gastronomie, Catering und Mensen.
- Anhörung im Agrarausschuss des Bundestages.
- Wir mahnen an, den Koalitionsvertrag einzuhalten und fordern eine klare Tierschutz-Strategie beim Tierhaltungskennzeichen. Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, fordert die Parlamentarierinnen und Parlamentarier im Deutschen Bundestag auf, im parlamentarischen Verfahren den bisherigen Entwurf zum Tierhaltungskennzeichen „auf links zu drehen“ und aus dem Tierhaltungs- ein echtes Tierschutzkennzeichen zu machen. „Es bedarf einer Strategie aus einer Kombination aus Ordnungsrecht, Anreizsystemen und Kennzeichnung, damit die auch gesellschaftlich mehrheitlich gewünschte Transformation gelingt“, so Schröder. Dazu gehöre vorrangig das Schließen der Lücken im Tierschutzrecht.
Erste Beratung im Bundestag
Anlässlich der ersten Lesung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes im Bundestag appellieren wir zusammen mit VIER PFOTEN - Stiftung für Tierschutz und PROVIEH gemeinsam in einem Brief an die Abgeordneten im Agrar- und Ernährungsausschuss.
Damit die Kennzeichnung zu einer Unterstützung und nicht zum Hemmnis beim Umbau der Tierhaltung wird, sind grundlegende Änderungen am Gesetzentwurf notwendig. Transparenz für die Verbraucher und Anreize für den Umbau der Tierhaltung werden durch das Kennzeichen erst mit strukturellen Gesetzesänderungen erreicht.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bringt einen Gesetzesentwurf für ein Tierhaltungskennzeichen ins Kabinett ein. Dieser Entwurf beinhaltet jedoch viel zu schwache Tierschutzkriterien, die sich nur auf die Haltung von Mastschweinen beziehen. Entscheidende Bereiche wie Transport und Schlachtung sind nicht berücksichtigt. Zudem verzerren beschönigende Bezeichnungen wie zum Beispiel die Haltungsform „Stall“ die Realität. Dem Verbraucher wird dadurch suggeriert, dass die Tiere eine Bauernhofidylle erfahren haben, obwohl die Haltungsform eigentlich einem Leben auf Spaltenböden in engen, unstrukturierten Produktionsstätten – mit künstlichem Licht und Luftzufuhr, entspricht.
Wir appellieren an die Fraktionen, im weiteren Gesetzgebungsverfahren aus dem aktuellen Entwurf ein Kennzeichen zu machen, das tatsächlich mehr Tierschutz bringt. Wenn dies nicht gelingt, wäre es aus unserer Sicht besser, den Prozess zu stoppen: Lieber gar kein Kennzeichen, als eines, das den Weg zu mehr Tierschutz extrem belastet.
Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbunds, kommentiert zu dem bekannt gewordenen Gesetzentwurf zum staatlichen Tierhaltungskennzeichen:
„Wir begrüßen die Verbindlichkeit. Festzuhalten bleibt aber ganz sachlich: Aus einem geplanten Tierwohlkennzeichen ist ein Tierhaltungskennzeichen geworden. Statt dem Verbraucher Transparenz über die gesamte Lebensspanne des Tieres zu bieten und aus Tierschutzsicht zu bewerten, wird nur die Form der Haltung dargestellt. Ein Anreiz zur Verbesserung der Haltung ist nicht vorgesehen. (…)“
Wir befürworten den Gesetzesentwurf des Bundeslandwirtschaftsministeriums zum Staatlichen Tierhaltungskennzeichen im Grundsatz. Die Verbindlichkeit erfüllt eine Kernforderung des Verbandes. Insgesamt gibt es aber noch deutlichen Verbesserungsbedarf. Besonders scharf kritisieren wir die FDP, die bisher jedwede für den Umbau notwendige zusätzliche staatliche Förderung ablehnt.
In einer Pressemeldung begrüßen wir das Versprechen der neuen Bundesregierung, 2022 eine verbindliche Tierhaltungs- und eine umfassende Herkunftskennzeichnung einzuführen. Wir fordern eine anspruchsvolle staatliche Tierschutzkennzeichnung, die sich an der Einstiegsstufe des Labels „Für Mehr Tierschutz“ als Mindestniveau orientiert.